Norwegen
 

 

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Edith Victoria Randa und ihr Mann Svein Ulai.
Edith Randa - die gute Frau vom Pasviktal
Auf der Landtraße 885 fahren nicht viele Autos. Eher kreuzen mehr Luchse, Bären und Rentiere die Asphaltdecke. Aber wer die Fahrt auf dieser Straße im äußersten Osten Norwegens macht, wird an Edith Victoria Randa eigentlich nicht vorbei kommen, ohne zumindest anzuhalten. Sie hat nämlich den einzigen Campingplatz mit Café in dem Landstrich zwischen Kirkenes und der Dreiländergrenze, das Øvre Pasvikcafé og Camping in Vaggetem.

Die kleine lustige Seesamin lebt mit Ehemann Svein Ulai im eigenen Hüttendorf am Ufer der Tjærebukta des Pasvikflusses. Hier gibt es für Campermobile Frischwasser und für Wanderer ein festes Dach über den Kopf. Am Ufer liegen Kanus, die gemietet werden können. "Aber auf die russische Uferseite darf keiner!", warnt Edith mit erhobenem Zeigefinger.

Den Campingplatz hat Edith 1988 eröffnet. Bis dahin war sie Hausfrau und Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter. Vaggetem liegt nur noch 36 Kilometer von dem südlichsten Punkt der Norwegisch-Russischen Grenze entfernt. Etwas weiter westlich und einen Tick nördlicher ist die Treriksrøysa, die Dreiländergrenze, wo die Norwegische Reichsgrenze an die Reichsgrenzen Russlands und Finnlands stößt. Eine Warde markiert den Schnittpunkt der drei Ländergrenzen.

Seit ihrer Geburt, seit 63 Jahren lebt Edith Randa hier in Vaggetem. Ein eigentlich beschauliches Leben an der direkten Reibungsfläche zwischen NATO und Ostblock. "Früher war das nicht so.", erzählt sie und schüttelt ihre kurzen silbergrauen Haare, "Nach 1944 annektierte die UdSSR das ehemals finnische Territorium, das bis zur Eismeerküste reichte. Die Skoltsamen wurden auf die Kolahalbinsel vertrieben, Familien wurden brutal getrennt."

Schritt aus der Steinzeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Edith Randa mit ihrer Familie, Freunden und Nachbarn in gemütlichen Holzhäusern am rauschenden Grenzfluss. Nur Soldaten und Grenztürme störten dieses Idyll. "Im Dezember 1963 machten wir den Schritt aus der Steinzeit – wir bekamen Strom! Es war ein großes Geschenk.", erinnert sich Edith, "Bis dahin sorgten Paraffinkerzen für Licht, und die Busfahrer aus Kirkenes erzählten uns die Weltnachrichten." Seit jenem Wintertag 1963 ist alles anders: "Wir Menschen in Pasvikdalen haben jetzt Kühlschränke, Fernseher, Internet und sogar elektrisches Licht in der Sauna."

"Jeder hilft jedem im Pasviktal, und die Menschen leben mit statt von der Natur", sagt Edith. Aber ein großes Tabu gibt es - das andere Ufer des Pasvikflusses! "Das ist russisches Gebiet, da darf keiner hin!" War Edith Randa mal ‚drüben‘? "Erst 1992 durften wir hinüber fahren. Wir reisten über Nikel nach Murmansk. Es war eine andere, eine völlig fremde Welt. Schon verrückt, wenn diese andere Welt vor der eigenen Haustür liegt, und man nichts von ihr weiß."

Ein wichtiger Moment war für Edith eine spätere Reise nach Russland, nämlich von Storskog über Nautsi nach Raja Jooseppi. "Dabei reisten wir auf russischem Gebiet am Pasvikfluss, - an ‚meinem‘ Fluss - entlang. Vorbei ging die Fahrt an den atemberaubenden Wasserfällen und Stromschnellen von Maitokoski und Menikkaskoki. Dort spürt man die Gewalt und die Kraft des Flusses!"

Das Jahr 2000 mal drei

In der Silvesternacht zum neuen Jahrtausend gab es das schönste Geschenk für alle Menschen am Pasvikfluss. "Die drei Länder Norwegen, Finnland und Russland öffneten für vier Stunden ihre Grenzen, und wir alle durften ohne Visum die Grenzen überschreiten. An der großen Steinwarde, wo normalerweise jedes Umgehen als grobe Grenzverletzung geahndet wird, feierten wir ein großes Völkerfest!", erinnert sich Edith, "Dort begrüßten norwegische, finnische und russische Grenzanwohner und Soldaten Arm in Arm singend und tanzend das Neue Jahrtausend. Und das wegen der unterschiedlichen Zeitzonen sogar drei Mal! Es war nicht ein- sondern dreimalig!" erzählt die lustige Frau, "Selbst der Polizeichef aus Kirkenes, ein Mann mit weitreichenden Beziehungen, kam zur Milleniumsfeier hier hin."

Während Edith Randa erzählt, fährt plötzlich ein Boot vom anderen Ufer zu der norwegischen Seite. Nanu, ein Spion? "Nein, das ist erst die Halbinsel Ruskeneset, dann kommt die Bucht Ruskebuska und schließlich noch ein schmaler Landstrich namens Kjerringneset (Kalkkuniemi). Das ist alles norwegisches Staatsgebiet, erst dahinter fließt der Pasvik, erst dahinter ist die andere Uferseite russisches Territorium.. Auf Ruskeneset bin ich übrigens geboren worden.", lacht sie auf. Dabei blitzen ihre braunen Augen auf. Augen, in denen sich das Wasser des mächtige Pasvikfluss spiegelt – eine Lebensader für Mensch und Natur.

Willkommen im "Øvre Pasvikcafé og campingplatz"!

Link:
Øvre Pasvikcafé og Camping

Autor und Fotos: Th. Bujack

Veröffentlichung und Verbreitung nur mit Einverständnis des Autors!

Alle Rechte bei der  NORDLANDSEITE, 2005

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Kein Witz - Ein finnischer, russischer und norwegischer Soldat feiern im Dreiländereck...

Keine Grenzverletzung - Ein Russe schießt Raketen nach Norwegen und Finnland.

Ein Prost auf das Neue Jahrtausend. Ein norwegischer und ein russischer Grenzer stoßen an!

Der norwegische Polizeichef kam extra aus Kirkenes.

Die Silvesterfotos stellte freundlicherweise Edith Randa zur Verfügung.