Die kleine lustige Seesamin lebt mit
Ehemann Svein Ulai im eigenen Hüttendorf am Ufer der Tjærebukta
des Pasvikflusses. Hier gibt es für Campermobile
Frischwasser und für Wanderer ein festes Dach über den
Kopf. Am Ufer liegen Kanus, die gemietet werden können.
"Aber auf die russische Uferseite darf keiner!",
warnt Edith mit erhobenem Zeigefinger.
Den Campingplatz hat Edith 1988 eröffnet.
Bis dahin war sie Hausfrau und Mutter von zwei Söhnen und
einer Tochter. Vaggetem liegt nur noch 36 Kilometer von dem
südlichsten Punkt der Norwegisch-Russischen Grenze
entfernt. Etwas weiter westlich und einen Tick nördlicher
ist die Treriksrøysa, die Dreiländergrenze, wo die
Norwegische Reichsgrenze an die Reichsgrenzen Russlands und
Finnlands stößt. Eine Warde markiert den Schnittpunkt der
drei Ländergrenzen.
Seit ihrer Geburt, seit 63 Jahren lebt
Edith Randa hier in Vaggetem. Ein eigentlich beschauliches Leben an der
direkten Reibungsfläche zwischen NATO und Ostblock. "Früher war das
nicht so.", erzählt sie und schüttelt ihre kurzen
silbergrauen Haare, "Nach 1944 annektierte die UdSSR
das ehemals finnische Territorium, das bis zur Eismeerküste
reichte. Die Skoltsamen wurden auf die Kolahalbinsel
vertrieben, Familien wurden brutal getrennt."
Schritt aus der Steinzeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Edith
Randa mit ihrer Familie, Freunden und Nachbarn in
gemütlichen Holzhäusern am rauschenden Grenzfluss. Nur
Soldaten und Grenztürme störten dieses Idyll. "Im
Dezember 1963 machten wir den Schritt aus der Steinzeit –
wir bekamen Strom! Es war ein großes Geschenk.",
erinnert sich Edith, "Bis dahin sorgten Paraffinkerzen
für Licht, und die Busfahrer aus Kirkenes erzählten uns
die Weltnachrichten." Seit jenem Wintertag 1963 ist
alles anders: "Wir Menschen in Pasvikdalen haben jetzt
Kühlschränke, Fernseher, Internet und sogar elektrisches
Licht in der Sauna."
"Jeder hilft jedem im Pasviktal, und
die Menschen leben mit statt von der
Natur", sagt Edith. Aber ein großes Tabu gibt es - das
andere Ufer des Pasvikflusses! "Das ist russisches
Gebiet, da darf keiner hin!" War Edith Randa mal ‚drüben‘?
"Erst 1992 durften wir hinüber fahren. Wir reisten
über Nikel nach Murmansk. Es war eine andere, eine völlig
fremde Welt. Schon verrückt, wenn diese andere Welt vor der
eigenen Haustür liegt, und man nichts von ihr weiß."
Ein wichtiger Moment war für Edith eine
spätere Reise nach Russland, nämlich von Storskog
über Nautsi nach Raja Jooseppi. "Dabei
reisten wir auf russischem Gebiet am Pasvikfluss, - an ‚meinem‘
Fluss - entlang. Vorbei ging die Fahrt an den
atemberaubenden Wasserfällen und Stromschnellen von Maitokoski
und Menikkaskoki. Dort spürt man die Gewalt und die
Kraft des Flusses!"
Das Jahr 2000 mal drei
In der Silvesternacht zum neuen
Jahrtausend gab es das schönste Geschenk für alle Menschen
am Pasvikfluss. "Die drei Länder Norwegen, Finnland
und Russland öffneten für vier Stunden ihre Grenzen, und
wir alle durften ohne Visum die Grenzen überschreiten. An
der großen Steinwarde, wo normalerweise jedes Umgehen als
grobe Grenzverletzung geahndet wird, feierten wir ein
großes Völkerfest!", erinnert sich Edith, "Dort
begrüßten norwegische, finnische und russische
Grenzanwohner und Soldaten Arm in Arm singend und tanzend
das Neue Jahrtausend. Und das wegen der unterschiedlichen
Zeitzonen sogar drei Mal! Es war nicht ein- sondern
dreimalig!" erzählt die lustige Frau, "Selbst der
Polizeichef aus Kirkenes, ein Mann mit weitreichenden
Beziehungen, kam zur Milleniumsfeier hier hin."
Während Edith Randa erzählt, fährt
plötzlich ein Boot vom anderen Ufer zu der norwegischen
Seite. Nanu, ein Spion? "Nein, das ist erst die Halbinsel
Ruskeneset, dann kommt die Bucht Ruskebuska
und schließlich noch ein schmaler Landstrich namens Kjerringneset
(Kalkkuniemi). Das ist alles norwegisches Staatsgebiet,
erst dahinter fließt der Pasvik, erst dahinter ist die
andere Uferseite russisches Territorium.. Auf Ruskeneset bin
ich übrigens geboren worden.", lacht sie auf. Dabei
blitzen ihre braunen Augen auf. Augen, in denen sich das
Wasser des mächtige Pasvikfluss spiegelt – eine
Lebensader für Mensch und Natur.