Nordpol
 
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Der schwarz rauchende Vulkan Eyjafjalla auf Island beim Nordpolflug am 1. Mai 2010.

(Durch Anklicken kann das Foto in größerer Auflösung betrachtet werden.)

 

Heiratsantrag über'm Nordpol

Die Entdeckung der Schnelligkeit
Großes Hallo am Düsseldorfer Flughafen. Am Flugsteig  B25 treffen sich 300 Passagiere, die ein gemeinsames Ziel haben, den nördlichsten Punkt der Welt zu erreichen! Die folgenden zwölf Stunden werden es in sich haben.

Bereits zum fünften Mal organisiert die Deutsche Polarflug in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft AirBerlin einen Expeditionsflug zum Nordpol. Am 1. Mai um genau 8.00 Uhr hebt der vollbesetzte rotweiße Airbus mit der Flugnummer AB1111 ab. Unter den erwartungsvollen Passagiern ist auch Alfred Zeilinger (53). Der Österreicher ist ein so genannter „Repeater“ – ein Wiederholer. Letztes Jahr war er bereits mit an Bord des vierten Polfluges. „Das hatte mir so gut gefallen, dass ich auf jeden Fall wieder mit dabei sein wollte.“, erzählt der Techniker der Telekom Austria, der die Nacht zuvor in einem Hotel am Düsseldorfer Flughafen verbrachte. An Bord trifft er zufällig auf einen anderen Österreicher, Kurt Aigner (66): „Wir haben uns letztes Jahr bei einer Reise im Sultanat Oman kennen gelernt.“

 

Sensationeller Blick auf die Bäreninsel. So klar ist die Bäreninsel nur selten zu sehen.
 
Zu Beginn des Fluges liegen Deutschland, Dänemark und Norwegen unter einer oft dicken Wolkendecke. Das Flugzeug nähert sich einem arktischen Vorposten, der Bäreninsel. Bereits beim Überflug im August 2008 galt es als Sensation, einen kurzen Küstenstreifen vom Flieger aus zu erkennen. Denn diese Insel ist meist im Nebel versteckt. Beim Überflug im letzten Mai konnte sogar die gesamte Ostküste gesichtet werden. Und dieses Jahr ist die komplette Bäreninsel glasklar aus 11.000 Metern Höhe zu erkennen! Diesen wahrhaft seltenen Ausblick wollen alle von der Steuerbordseite aus bestaunen. Wer es während der kurzen Überflugzeit nicht schafft, kann von seinem Platz über die Bordmonitore zuschauen. Im Cockpit sind drei Kameras installiert und übertragen die Bilder zu den Passagieren.

Kurze Zeit später kommt Spitzbergen in Sicht. Wieder Glück mit dem Wetter. Flugkapitän Wilhelm Heinz und seine Mannschaft führen den Airbus souverän über den Archipel. Mit im Cockpit ist auch Manuel Kliese (28) von der Deutschen Polarflug. „Einige Jahre war ich Tourorganisator auf Spitzbergen“, sagt der Ratinger. Er kennt die nordische Inselgruppe wie seine Westentasche und erzählt den Reisenden viel Wissenswertes über die Arktis.

Über den Hauptort Longyearbyen mit seinem Flughafen fliegen die Tagestouristen zum verlassenen Ort Pyramiden und der noch von den Russen gehaltenen Ortschaft Barentsburg. Die höchsten Berge Spitzbergens, der Newtontoppen mit seinen 1.713 Metern und der Perriertoppen mit einem Meter weniger auf Ny Friesland werden passiert wie der längste Fjord der Inselgruppe, der Widjeforden mit 108 Kilometer Länge. Die Passagiere sind fasziniert von der schroffen Wildnis.

12.00 Uhr mittags, ein kleiner Schwenk nach steuerbord, zehn Breitengrade zum Nordpol müssen noch bewältigt werden. Erstes Luftholen von den eisigen Eindrücken. Das Bordpersonal, von der Reise ebenso routiniert und begeistert, managt souverän die Getränke und Essensausgabe, kümmert sich um die großen und kleinen Sorgen und Wünsche der Passagiere. Und wenn zwischendurch einige Sekunden Luft sind, erhaschen auch sie durch die Kabinenfenster schöne polare Blicke.

 

Im Mai noch ein weißes Wintermärchen. Der Hauptort Longyearbyen auf Spitzbergen.

 

Besichtungstour über Spitzbergen. Der höchste Berg des Archipels, der Newtontoppen mit seinen 1713 Metern.

 

Die Freigabe für den Sinkflug zum geographischen Nordpol kommt von der Flugbereitschaft, so erreicht der A330 gegen 13.29 Uhr den absoluten Punkt 90 Grad Breite. In knapp 2.000 Metern kreist die Maschine um den „Tigishu“ - den große Nagel, wie der Nordpol bei den polaren Völkern genannt wird. Hier ist der Norden Süden, hier steht die Sonne ununterbrochen sechs Monate am Himmel.

Damit alle Passagiere diesen authentischen Blick genießen können, fliegt der Pilot eine Acht. Auf der anderen Kabinenseiten werden die Passagiere jetzt vom Packeis gepackt. Die Risse im Eispanzer sind an den Bruchstellen wieder zugefroren, so dass sich das frische Eis wie grauer gebrochener Achatstein zeigt.

„Waren hier wirklich die Amerikaner Cook, 1908, Peary, 1909, oder Byrd, 1926?“ wird von Interessierten der Polarhistorie gefragt. Zweifelhaft. Aber der Norweger Roald Amundsen kreiste zusammen mit dem Italiener Umberto Nobile und dem Amerikaner Lincoln Ellsworth 1926 hier am Pol. Dieser Überflug gilt als gesichert. Also das erste Erreichen des Nordpols vor gerade mal 84 Jahren?! Auf jeden Fall ist es ein Grund für die Passagiere mit zweifelsfreiem Champagner Piper Heidsick anzustoßen. Freude bei Alfred Zeilinger: „Jetzt bin ich zum zweiten Mal am Nordpol!“

Aber es gibt noch etwas ganz besonderes am Nordpol. Denn der 31-jährige Holger Lischke aus Leipzig ergreift seine Freundin Tina Näther (28) und das Bordmikrofon, fragt ganz laut und für alle 300 Passagiere, Veranstalter,  Besatzungsmitglieder, Pilot und Kapitän gut hörbar „Willst Du meine Frau werden?“ Spannung, Stille, dann kommt ein liebevoll gehauchtes „Ja, ich will!“ Ein Heiratsantrag am Nordpol, die Leute klatschen, sind begeistert!

Seit sieben Jahre sind die beiden Physiotherapeuten ein Paar. „Jetzt hat er mich endlich gefragt.“, erzählt die frisch Verlobte. „Dabei hatte sie bis zum Besteigen der Maschine nichts von Antrag und Ausflug zum Nordpol gewusst. „Das war alles geheimnisvoll und von langer Hand vorbereitet.“, lacht der Bräutigam.

 

Ganz genau der Nordpol am 1. Mai 2010 um 13.29 Uhr.

 
Verliebt, verlobt verheiratet - Antrag über'm Nordpol, die frisch Verlobten Holger Lischke  und  Tina Näther aus Leipzig.

 

Ausruhen, Champagner genießen, 70 Minuten Zeit zum erneuten Luftholen. Interessante und lebhafte Vorträge über die Arktis und den Weltraum gibt es zwischendurch vom ESA-Wissenschaftler Alexander Soucek. Er ruft die Passagiere auf, von der Reise zu berichten, damit die Anstrengungen, diesen hochsensiblen Lebensraum zu schützen, noch mehr verstärkt werden.

Vorhang auf für den nächsten Auftritt – Grönland. Aber die Passagieren müssen sich gedulden. Eine Wolkendecke verhindert einen arktischen Vollrausch, aber nur vorerst. Dann eröffnet sich ungetrübt die Eiswelt der größten Insel der Welt. Gletscher, Berge, Fjorde der Superlative zeigen sich. In gut 3.000 Metern Flughöhe folgt eine atemberaubende Sicht. Der Küstenlinie südwärts folgend gibt es mehr als anderthalb Stunden staunende Ausblicke.

Am Scoresbysund dreht die Maschine ostwärts Richtung Heimat; seit achteinhalb Stunden fliegt nun das Flugzeug durch die Polarregion. Sven Maertens (31) und Sebastian Schmitz (31) von der Deutschen Polarflug: „Auch wenn es der fünfte Flug zum Pol ist, es ist wieder einmalig.“ Dabei hing im Vorfeld ein qualmendes Fragezeichen über dem Flug. „Durch den Ausbruch des Eyjafjalla mit seiner Aschewolke und das Flugverbot hätten auch wir den Flug streichen müssen.“

In sicherer Entfernung passiert gegen 17.18 Uhr Kapitän Wilhelm Heinz die Inselrepublik Island. Aus den Steuerbordfenstern ist der qualmende Vulkan zu erkennen, dem der Flug fast zum Verhängnis geworden wäre. Über einem Gemisch aus Eis und weißen Wolken weht südwärts eine grauschwarze Aschewolke.

 

Keine zerbrochene Milchschüssel, sondern festgefrorene Eisschollen. 

 

Majestätische Berge an Grönlands Küste.

 

Ein Meer von Bergen in einem Meer von Eis.

 

Ein letzter heißer Gruß aus der Subarktis. Am oberen Rand des Eyjafjallajökulls raucht schwarz der Vulkan.

 

19.42 Uhr – das Flugzeug landet an der Stelle, wo es vor elf Stunden und 42 Minuten gestartet war – am Düsseldorfer Flughafen. Allerdings sind nun gut 10.000 Kilometer mehr auf’m Tacho.

„Das war ein sehr beeindruckender Flug!“, sagt Alfred Zeilinger. Er hat einen weiteren Grund zu jubeln. Der Niederösterreicher ist der Gewinner des Preisrätsels während des Polfluges - er darf im August mit der Deutschen Polarflug nach Spitzbergen fliegen! Herzlichen Glückwunsch!

 

 
 
Interview mit Teilnehmer Alfred Zeilinger (53):

 

Warum nehmen Sie die Strapazen eines solchen Fluges auf sich?

Ich liebe das Reisen und das Fliegen und war in meinen Leben bis jetzt in 41 Ländern und habe 579.000 km in der Luft zurückgelegt. Der Service auf einem solchen Flug ist super, man hat ein kurzweiliges Bordprogramm, fantastische Ausblicke. Die Zeit vergeht „wie im Flug“. Ich empfinde daher einen solch besonderen Flug nicht als Strapaze.

Waren Sie schon mal je „unten“?

„Ich bin voriges Jahr mit der Deutschen Polarflug in Spitzbergen gewesen. Ein Traum von mir ist, wenn ich in einigen Jahren in Pension bin, Spitzbergen und Grönland genauer zu erkunden.“

Was ist für Sie der Reiz eines solchen Fluges?

„Den nördlichsten Punkt der Welt zu erreichen, die Faszination aus 4000 Meter Höhe oder tiefer; Spitzbergen, Grönland und den Pol zu sehen und Ausblicke auf eine fantastische Welt aus Eis und Schnee zu genießen.“

Lohnen sich die Kosten für den Flug?

„Ja, auf alle Fälle. Ich finde, die Preise ab € 333.- für so einen einzigartigen zwölfstündigen Flug sind okay. Außerdem, wann wird einem die Möglichkeit geboten, eine der abgeschiedensten Gegenden der Welt aus der Luft zu sehen.“

Haben Sie bereits weitere Reisen in die Arktis gemacht?

„Voriges Jahr Nordpol und Spitzbergen heuer nochmals. Vor zwei Jahren war ich in Island und Norwegen, wenn das dazu zählt? Im August möchte ich nach Oslo und von dort nach Tromsø reisen.“

Haben Sie sich schon zuvor für die Arktis interessiert?

„Schon als Kind war mein Interesse an fernen Ländern groß. Als Jugendlicher habe ich Bücher von der Entdeckung des Nord- und Südpols gelesen. Richtig erweckt wurde meine Liebe zur Arktis mit dem ersten Nordpolflug von der Deutschen Polarflug, von dem ich im Internet gelesen hatte. Da entstand in mir der Wunsch, den Pol auch mal mit eigenen Augen zu sehen. Das ist mir im Vorjahr ja gelungen.“

Kennen Sie die Expedition der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition von 1874?

„Ja, hier gab es einen sehr interessanten Film im ORF über die Entdeckung der Inselgruppe Franz-Joseph-Land durch die Forscher Weyprecht und Payer mit ihrem Schiff Admiral Tegetthoff. Hier ist mir von der Dokumentation der Nachbau des im Eis eingeschlossenen Schiffs in Erinnerung.“

Wie sehen Sie die Kritik an dem Schadstoffausstoß bei einem solchen Flug?

„Neutral. Ich denke, dieser eine Flug wird nicht sehr zur Erderwärmung beitragen. Hier müsste die ganze Welt massivere Anstrengungen unternehmen, um diese zu stoppen. Außerdem hört man jetzt durch den Ausbruch des Eyjafjalla, dass die dort ausgetretene Asche das Klima beeinflussen kann.“

Wo leben und arbeiten Sie?

„Ich lebe in Österreich in Günselsdorf einem kleinen Ort mit ca. 2.000 Einwohnern 30 Kilometer südlich von Wien und arbeite als Techniker bei der Telekom Austria.“

 

Mit Alfred Zeilinger sprach Th. Bujack von der nordlandseite

 

Ein Schmankerl am Rande - Wenn ein Österreicher, der zum Nordpol will, den nordrheinwestfälischen Ministerpräsident trifft, ist natürlich ein Erinnerungsfoto fällig. Alfred Zeilinger traf zufälligerweise Dr. Jürgen Rüttgers bei einer Wahlkampfveranstaltung am Vortag des Nordpolfluges in Düsseldorf.

 
 
 

Text und Fotos: Th. Bujack

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